Systemführung: «PostAuto soll eine permanente Rolle als Anlaufstelle wahrnehmen»

PostAuto richtet seine Arbeit als Systemführerin neu aus und übernimmt in den Gebieten zusätzliche operative Aufgaben. Im Interview erklärt Jonathan Zimmerli (Leiter Geschäftsstelle KOVE im Bundesamt für Verkehr), wieso der Bund die Verordnungen als Basis angepasst hat. Stefan Mühlemann (Fachspezialist Notfall- und Krisenmanagement) sagt, wieso die PostAuto-Gebiete neue Aufgaben übernehmen.

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Während Corona koordinierte PostAuto als Systemführerin unter anderem die Schutzvorschriften.
Während Corona koordinierte PostAuto als Systemführerin unter anderem die Schutzvorschriften.

Der Bund hat zwei Verordnungen revidiert, die Basis sind für unsere Arbeit als Systemführerin. Welches waren die hauptsächlichen Gründe dafür?

Jonathan Zimmerli: Zuvor war das Thema Systemführung fragmentiert und wurde in zwei Verordnungen behandelt, einmal bei der Armee und einmal beim BAV. Mit der Revision strebte der Bund eine Vereinheitlichung und zugleich eine Verschlankung in einer einzigen Verordnung an. In den alten Verordnungen waren nicht alle Verkehrsarten abgedeckt, es fehlten der Luftverkehr, die Gütertransporte auf der Strasse sowie Seilbahnen und Schiffe. In der Pandemie waren diese Bereiche aber alle stark betroffen. Im Weiteren waren die Systemführerinnen SBB, PostAuto und die Verkehrsmanagementzentrale ASTRA in der alten Verordnung zwar aufgeführt, aber deren Aufgaben waren nicht klar definiert. Nun sind diese Aufgaben beschrieben – auf einer hohen Flughöhe in der Verordnung und konkret in den Pflichtenheften. Daraus ergibt sich auch die Vergütung, die für diese Aufgaben bezahlt werden.

Jonathan Zimmerli

PostAuto und SBB haben während der Corona-Pandemie und bei der Vorbereitung auf eine mögliche Strommangellage Systemführer-Aufgaben übernommen. Welche Erkenntnisse hat der Bund daraus gewonnen?

Jonathan Zimmerli: Bei der Systemführung handelt es sich um ein Krisensystem, das man vor etwa 20 Jahren entwickelt hatte. In der Pandemie zeigte es sich, dass dieses System funktioniert und dass man es so weiterführen kann. Wir wurden auch in der Überzeugung bestätigt, dass es für den Verkehr in Ausnahmesituationen einheitliche Regeln auf nationaler Ebene und nicht verschiedene kantonale Lösungen braucht. Diese einheitliche Führung des Verkehrswesens auf nationaler Ebene stellen wir auch für die Zukunft sicher.

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Was erwartet der Bund künftig von PostAuto als Organisation der Systemführung? In welchem Ausmass hat der Bund das entsprechende Pflichtenheft angepasst?

Jonathan Zimmerli: Das Wichtigste ist die kontinuierliche Auseinandersetzung mit dem Thema, PostAuto soll eine permanente Rolle als Anlaufstelle für andere TU wahrnehmen. Das hat vorher gefehlt, es gab zwar einzelne Übungen und Anlässe, aber die Arbeit als Systemführerin blieb punktuell. Zweites soll PostAuto zu einem Kompetenzzentrum für seine Anspruchsgruppen (öV-Unternehmen auf der Strasse, Seilbahnen und Schiffe) werden. Dadurch wissen die TU, dass sie sich an PostAuto wenden können, wenn sie Fragen haben zum Thema.

PostAuto muss in Ausnahmesituationen Systemführeraufgaben übernehmen. Um welche Ausnahmesituationen könnte es sich denn handeln?

Stefan Mühlemann: Es gibt eine Liste des Bundes mit möglichen Gefährdungen der Verkehrsinfrastruktur oder von Verkehrsmitteln. Das sind beispielsweise Strommangellage, Stromausfall oder der Ausfall des Kommunikationsnetzes. Wir werden in unserer Arbeit aber priorisieren, auf welche mögliche Gefährdung wir uns zuerst konzentrieren. Das ist in einem ersten Schritt die Gesamtnotfallübung (GNU) 2024 im Gebiet Nord.

Der Bund hat die rechtlichen Grundlagen angepasst. Welches sind die wichtigsten Aufgaben, die sich dadurch für uns neu ergeben oder welche Arbeiten werden sich ändern?

Stefan Mühlemann: Die Sysko von PostAuto hatte während der Corona-Pandemie in erster Linie die Aufgabe, Informationen koordiniert an andere Transportunternehmen und an die Kantone weiterzugeben sowie die Anpassung des Fahrplans und die Kundeninformation zu koordinieren. Das war vor allem eine strategische Aufgabe, die zentralisiert ausgeführt wurde. Neu kommt hinzu, dass wir künftig in den Gebieten während einer Ausnahmesituation eine operative Systemführung wahrnehmen und damit auch auf kantonale Bedürfnisse eingehen. In der Vorbereitungsphase geht es darum, die Notfallpläne zu erarbeiten.

Stefan Mühlemann

Diese Kompetenz muss aber zuerst aufgebaut werden?

Stefan Mühlemann: Genau, dies nehmen wir nun in Angriff. Pro Gebiet braucht es einen sogenannten Sicherheitskoordinator, der für die Systemführung verantwortlich ist. Dieser Sicherheitskoordinator trägt die Gesamtverantwortung für die Systemführung innerhalb des Gebietes. Unterstützt wird er dabei von den Verbindungspersonen. Für jeden Kanton müssen wir eine Verbindungsperson benennen, die dann in den jeweiligen kantonalen Krisenstäben Einsitz nimmt. Zudem ist der Sicherheitskoordinator erste Ansprechperson für alle Anfragen im Zusammenhang mit der Systemführung. Das können Fragen von PostAuto-Mitarbeitenden, aber auch von anderen TU und von den Kantonen sein.

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Der Krisenstab von PostAuto und die Systemführung existieren bereits. Was kommt nun neu hinzu?

Stefan Mühlemann: Mit der Sysko haben wir auf strategischer Ebene viele Erfahrungen gemacht, nun kommt das operative Element in den Gebieten hinzu. Zentral ist, dass wir in den Gebieten jeweils eine Systemführung institutionalisieren. Das ist die grösste Neuerung, die wir nun angehen.

Sind wir im Bereich der Systemführung gut aufgestellt für die Zukunft?

Stefan Mühlemann: Es gibt bei PostAuto sehr engagierte Mitarbeitende mit viel Fachwissen. Das hat sich in der Sysko sowie im Notfall- und Krisenmanagement bereits bewährt und darauf können wir aufbauen. Nun werden wir den operativen Teil der Systemführerschaft in den Gebieten institutionalisieren und ich bin überzeugt, dass wir das gut umsetzen werden. Die ersten Rückmeldungen aus den Gebieten sind positiv, die Kolleginnen und Kollegen begrüssen es, dass die Systemführerschaft damit in ihren Regionen konkreter wird. Man denke beispielsweise an das dicht besiedelte Gebiet Nord mit kritischen Infrastrukturen wie den Kernkraftwerken.

Pflichtenheft für PostAuto: Die Verordnung zur «Koordination des Verkehrswesens im Hinblick auf Ereignisfälle» (KOVE) und die Verordnung über «vorrangige Transporte in Ausnahmesituationen» (VVTA) wurden per 1. August 2024 durch die Verordnung über die «Koordination des Verkehrs in Ausnahmesituationen» (KOVA) abgelöst. In dieser VKOVA wurden die Aufgaben der Systemführer präzisiert. Gestützt darauf hat PostAuto mit dem BAV zusammen das Pflichtenheft (Vereinbarung zwischen BAV und PA) erstellt, das die Arbeiten während der Vorbereitungsphase regelt.